• Menu
  • Menu
Veschleierte Frau mit Kaffe-to-Go

Jeddah oder das Las Vegas von KSA

Durch die Berge nach Jeddah

Wir verlassen Al Hada und wollen eigentlich noch ein paar Fotos von den Baboons – diesmal nicht im Nebel – machen. Dumm nur, dass die Nationalstraße 15 – die direkte Verbindung von Al Hada in Richtung Mekka – gesperrt ist. Mit querstehenden Polizeiwagen wird eindeutig signalisiert, dass die Sperre ernst zu nehmen ist. So lassen wir Baboons Baboons sein und entscheiden uns spontan für den Umweg über die (Land?) Straße 267.

Wie sich herausstellen sollte, war die Sperrung unserer eigentlich geplanten Strecke ein glücklicher Zufall! Sonst hätten wir eine tolle Strecke durch grandioses Bergpanorama verpasst! Unser Weg führt uns auf einer gut ausgebauten, aber diesmal nur zweispurigen Straße (also eine Spur für jede Richtung) durch eine Berglandschaft, die uns ein wenig an Albanien erinnert. Wir treffen nur wenige andere Autos und genießen die Ausblicke!

Das einzige, das uns daran erinnert, dass wir nicht in Europa unterwegs sind: Ziegen am Straßenrand – und Straßenschilder, die ausschliesslich in arabischen Ziffern das Tempolimit anzeigen.

Wie lernt man eben spontan die arabischen Ziffern, die oft verwirren können, weil die Unterschiede ehr subtil sind? Ganz einfach, man schaut den Autos aufs Nummernschild – die sind alle mit europäischen Ziffern und arabischen Ziffern beschriftet. Das geht einfacher als jedes Wörterbuch. Wobei, beim nächsten mal werden wir uns die Tabelle ausdrucken und ins Auto kleben.
Die „Fledermaus“ auf dem Schilde oben bedeutet übrigens 30. Wenn die „o“ nicht so klein sondern mehr ein „O“ wäre ist es keine 0 sondern wäre eine 5…

Muslim oder nicht?

Dass wir uns Mekka nähern, zeigen uns die Verkehrsschilder: In rot und grün werden wir darauf hingewiesen, dass die Einfahrtsstraßen nach Mekka „for muslims only“ sind. Wir fahren also zwangsweise in einem großen Bogen um Mekka herum in Richtung Jeddah (Ok. da haben wir den U-Turn zurück fotografiert)

Preisfrage: was bedeutet das Tempolimit?

Tempo 120

Großstadt am Roten Meer

Wir stellen schnell fest: Jeddah, eine Großstadt am Roten Meer, ist anders! Ok, der Fahrstil nicht; so sind wir froh, unverbeult am Hotel anzukommen.

Das „neue“ Saudi

Jeddah symbolisiert das neue Saudi! Es gibt Cafés, in denen Männer und Frauen (letztere mal verschleiert, mal nicht) ihre Cappuchino trinken. Betrieben werden die vom Kaffee-Riesen aus Seattle oder lokalen „look-alikes“. Es gibt zwei Eingänge, einen nur für Männer und einen für Frauen mit (jeglichem) Anhang – hätte Jens fast übersehen und augenscheinlich auch keinen gestört.

Es gibt einen Boulevard am Meer, der für Fußgänger und Radfahrer (!) angelegt wurde! Irgendwo haben wir ein Schild gefunden, das die Corniche in ihrer heutigen Form 2017 eröffnet wurde – also alles noch recht neu. Der Baustil ist eindeutig europäisch geprägt, mit saudischer Großzügigkeit was den Platz angeht.

Die neuen Möglichkeiten werden am Wochenende rege genutzt. Tagsüber sitzen Familien oder Pärchen (!) auf den Rasenflächen und picknicken oder genießen einfach das Leben. Keiner interessiert sich dafür, ob die Paare verheiratet sind oder nicht, Kopftücher verwehen vom Wind und es stört keinen. Die berüchtigte Religionspolizei? Abgeschafft, die Mitarbeiter in andere Behörden versetzt.

Die normale Polizei interessiert sich nur für den rollenden Verkehr, oft sehen wir auch Polizisten mit ihren Dienstwagen (übrigens wie in den USA immer alleine) irgendwo dekorativ geparkt, der Officer mit seinem Smartphone beschäftigt.

Bäume und Sonnensegel sorgen für den nötigen Schatten. An kleinen Verkaufsständen kann man frische Fruchtsäfte kaufen, für ~2,50 Euro, frisch zubereitet und nach Geschmack mit Zuckerrohr-Sirup gesüßt oder natur.
Überall gibt es öffentlichen USB-Landestationen, damit das Smartphone auch Energie tanken kann.

Am saudischen Wochenende, also Donnerstags und freitags Abends bzw. Nachts ist der Boulevard Treffpunkt der jungen Leute.

Der Boulevard ist voller Mädels und Jungs, die in Grüppchen schlendern, quatschen und die lauen Temperaturen genießen. Auf der Straße ist cruisen angesagt: Fenster runter, Schiebedach auf, Musik an und los geht’s. Einige strecken sich aus dem Schiebedach und winken fröhlich. Natürlich wird mit Blicken und Worten geflirtert, so manche Abaya wird wie ein offener Mantel getragen. Saudische Frauen und Mädchen bevorzugen übrigens moderne Sneaker mit gestricktem weichem Obermaterial, die Männer oft traditioneller mit Leder-Sandalen unterwegs.

Hier liegt ein kultureller und moralischer Wandel in der Luft. Die junge Menschen geniessen die neuen Freiheiten – Sicher es wird (noch) nicht öffentlich geknutscht, manchmal aber verstohlen Händchen gehalten.

Für europäische Augen alles sehr gesittet, aber wenn man Berichte aus Saudi von vor 5 oder 10 Jahren liest, passiert hier gerade eine kleine Revolution.

Baden im Meer

Wir genießen die Zeit und fragen uns: Wie lange wird es wohl noch dauern, bis Männer und Frauen gemeinsam im Meer baden werden? Denn das geht derzeit noch nicht. Am Boulevard gibt es zwar extra angelegte Schwimmbereiche: jedoch sind die ausschließlich für Männer und Kinder.

Und wenn Frau in KSA baden möchte? Geht auch, wie wir herausgefunden haben. Wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig für uns. Nein, Bianca hat sich keinen Burkini gekauft.

Die Lösung funktioniert so: Man fährt 30 km aus der Stadt heraus. Zwischen Meer und Straße sieht man hohe Mauern, ab und zu unterbrochen von ebenso hohen Toren. Dank eines Tipps aus unserem Hotel wissen wir, an welchem Tor wir für den hoteleigenen Strand anhalten – kein Logo weist drauf hin. Das Tor geht auf, wir fahren hinein, das Tor geht zu.

Jetzt stehen wir in einer Art Fahrzeugschleuse: vor uns ist nochmal ein ebenso großes und massives Tor. Was sich anfühlt wie die Einfahrt zu einem Hochsicherheitstrakt ist in Wirklichkeit der Eingang zu einem Beachclub. Wir melden uns am Wächterhäuschen an, bekommen zwei Handtücher und – tataaa – das zweite Tor geht auf. Hinter dem Tor verbirgt sich ein Beachclub, wie er überall auf der Welt sein könnte. Mit Liegen, Sonnenschirmen, Restaurant, Tauchschule und: Männern in Badehosen und Frauen im Bikini (und nein, nicht nur Expats sondern – zumindest der Optik nach zu urteilen – auch Araber und Araberinnen).  Wir genießen das Meer und die Sonne und schaffen es, uns in Saudi einen Sonnenbrand zu holen (und das nicht nur auf der Nase ). Fotografieren ist hier übrigens streng verboten…so dass wir nicht viel zeigen können.

Al Balad – Weltkulturerbe

Jeddah hat den Ruf etwas verruchter zu sein, als der Rest des Landes- so ähnlich wie Las Vegas in den USA. Aber es ist noch so viel mehr, als nur eine nicht ganz so sitttenstrenge Metropole. Jeddah hat auch eine lange Geschichte, als der (Flug-)Hafen für Pilger und Waren, Handelszentrum mit weltweiten Verbindungen.

Die Geschäftsviertel haben wir uns nicht angeschaut, aber es lohnt sich am Nachmittag und Abend einige Stunden in der Altstadt zu verbringen.

Al Balad ist UNESCO Weltkulturerbe. Wunderschöne Gebäude mit geschwungenen Fenstern und hölzernen Balkon, von kleinen Läden gesäumte Gassen und Cafés (!). Auch hier findet das Leben in den Abendstunden statt. Man geht einkaufen und sogar ein kleines Museum hat abends noch auf – ein Kaufmannshaus, das mit zeitgenössischen Möbeln eingerichtet ist.
Meist sind es Einheimische, die hier Einkäufe erledigen, oder in Gruppen zusammensitzen und sich unterhalten.

Zur Gebetszeit konnten wir beobachten, wie eine Vater seine Frau und zwei Söhne im Café parkte und selbst in die nahe Moschee eilte, um 15 Minuten später wieder zurück zu sein.

Malerische Fotomotive finden sich in der Alstadt an jeder Ecke und…

…und fallen uns andere Touristen auf.

Die Kleiderordnung ist genauso bunt wie Menschen eben sind – vom deutschen Outdoorlook auch an der hörbar deutsch sprechenden Dame bis hin zu zwei offensichtlich europäischen Männern, die im traditionellen arabischen Männergewand auch genauso authentisch wie ein Araber in Lederhosen auf der Wiesn wirken. Insgesamt schätzen wir weniger als 50 Touristen sind neben uns auch in der Stadt, ehr eine Busladung als eine Schiffsladung. Kreuzfahrer können es nicht sein, die Schiffe sind ja abends schon wieder weg, wenn das Leben in der Altstadt beginnt. Bisher kennen wir auch keine Linie, die hier planmäßig anlegt, wir sind gespannt wann die ersten großen Schiffe in Jeddah anlegen werden und die Grenzen der Toleranz austesten werden. Bei aller Offenheit, die Tank-Tops und Mini-Röcke sind noch einige Jahre entfernt von der öffentlichen Moralvorstellung.

Auch in Jeddah nutzen wir die Dienste von Uber, um uns in der Stadt zu bewegen. Ein Auto ist fast immer im Radius von wenigen Minuten verfügbar, wir müssen keine Parkplätze suchen und wenn wir am anderen Ende der Altstadt zurück wollen – auch kein Problem.

Essen gehen in Jeddah

Auch in Jeddah haben wir wieder das gleiche Problem wie überall in Saudi, „richtige“ Restaurants gibt es nur in den großen Hotels. Also ziehen wir uns am Abend „ordentlich“ an (Jens im Anzug) und lassen uns zum Crowne Plaza Hotel fahren. Die Online-Recherche verspricht erstklassiges Sushi, mit frischen Fischen aus dem roten Meer .

Das Sakura zu finden ist nicht ganz einfach, weil es praktisch im Hinterhof des Hotels ist (durch die Halle, dann wieder raus und man steht vor dem unscheinbaren Eingang).

Was trinken in einem Land, in dem jeglicher Alkohol verboten ist? Wir haben uns für „Saudi Champagne“ entschieden, einer Mischung aus 7Up und Apfelsaft, mit kleinen Apfelstückchen. Von der Farbe kaum von richtigen Champagner zu unterscheiden.

Lustig ist, man bekommt ein Tablet statt einer Karte, aber bestellt wird ganz normal beim Kellner, der auch noch kenntnisreich berät. Das fällt wohl in die Kategorie „Weil wir es können“

Am Nebentisch konnten wir beobachten, das auch Saudi-Frauen nicht die devoten Dienerinnen sind. Ein Paar in unserem Alter kam zum Essen, beide sehr gut gekleidet. Gelinde gesagt hatten die beiden aber atmosphärische Störungen: Sie wechselte kein Wort, schickte Blicke in seine Richtung die zwischen Blitzen und Eisklötzen wechselten.. Demonstrativ hat sie ihn auch beim Essen nicht beachtet, mit ihrem iPhone gespielt. Der Mann tat uns fast leid…

Unser Sushi hat dann auch alle Versprechen der Online-Bewertungen gehalten – frisch, kreativ und handweklich gut zubereitet. (Mit einem Glas Chablis wäre es perfekt gewesen)