Hilfe ein Anruf!
Unser Telefon zeigt Anrufe in Abwesendheit an. Wer ruft uns denn auf unserer Ghana-Nummer (die kennen wir selbst ja nicht richtig) an??? Ein Blick auf die verpassten Chats in WhatsApp (mit der deutschen Nummer) löst das Rätsel schnell auf, auch dort finden wir eine Nachricht: Es ist die nette Dame von Avis.
Wir rufen zurück und werden erst mal höflich gefragt, ob mit unserem Auto alles gut wäre? Ja klar, sonst hätten wir uns schon gemeldet.
Doch keine Kundenzufriedenheitsumfrage
Und da wäre noch was, so die Dame weiter. Ihnen (also Avis) wäre aufgefallen, dass unser Mietwagen dringend zur Inspektion müsste.
Wo wir denn wären, sie würde dann einen Werkstatttermin machen.
Aha?!?! Wir haben ja schon viele Mietwagen gehabt, aber einen Mietwagen während der Mietdauer zur Inspektion gebracht haben wir noch nicht.
Dementsprechend begeistert sind wir. Eigentlich haben wir keine Lust, uns mit Inspektion und Werkstatt rumzuschlagen.
Werkstattberichte gehören zwar zur Folklore der Overlandercommunity – aber mit seltend mit (in unserem Falle recht teuren) Mietwägen.
Und was hat Avis für ein Glück, dass wir in Kumasi sind. Irgendwo im Hinterland, wäre das mit der Toyota-Werkstatt wohl schwierig geworden. Jens fragt sich ob der Toyota einen GPS Tracker hat oder es einfach nur Glück (für Avis) war.
eMail ist übrigens ziemlich unüblich im Geschäftsverkehr, fast alles wird per WhatsApp abgewickelt. Telefonieren geht auch, ist aber für uns Europäer zuweilen anstrengend, weil der lokale englische Dialekt nicht immer sofort verständlich ist.
Wir freunden uns mit dem Gedanken an den Werkstatt-Besuch an:
- wir sind ja Overlander, da gehört ein Werkstattbesuch in jeden guten Reisebericht (sic!)
- es hat ja auch seine positiven Seiten. Wir sehen und erleben mal live und in Farbe eine Werkstatt in Ghana und
- müssen nicht überlegen, wo wir das Auto für den Stadtbummel parken.
- Im Gegensatz zu „normalen“ Reiseberichten können wir auch den Teil mit „Hilfe was das wohl kostet“ weglassen, das ist nicht unser Problem.
Deutsche Pünklichkeit und Verkehr in Afrika
Am nächsten Morgen geht es um 7:30 los – Jens hatte den Termin ausdrücklich für „8 AM – SHARP“ gemacht. 30 Minuten Fahrtzeit für acht Kilometer sollten auf der sicheren Seite sein—- dachten wir.
Wir hätten es seit Accra besser wissen können. Für 8 Kilometer benötigen wir mehr als eine Stunde – und stehen am Ende auf einem Bushof statt bei Toyota.
Ok, falsche Seite vom Häuserblock erwischt (Bianca muss mal neu kalibriert werden, nach 20 Jahren scheinen sich Fehler einzuschleichen)
Einmal um den Block (nur Minuten diesmal) und voilá: Toyota.
Ein uniformierter Mitarbeiter weist uns einen Parkplatz zu. Er ist auch als Einweiser beim rückwärts Einparken vorschriftsmäßig zur Stelle, so wie Jens das beim LKW Führerschein gelernt hat.
Toyota in Kumasi
Der erste Eindruck der Werkstatt: groß, viele Mitarbeiter, ordentlich und sauber. Da kann sich manches deutsche Autohaus eine Scheibe abschneiden. Was auffällt ist ein „Kasse“ die aussieht wie früher der Kassenschalter bei der Sparkasse in Jülich. Aber auch da darf der Hinweis nicht fehlen, dass Rechnungen auch per „Mobile-Money“ mit dem Cellphone bezahlt werden können – statt Kontonummer steht da eine Mobilfunknummer.
Es gibt eine klare Rollenverteilung: Einer darf den Kunden begrüßen und in Empfang nehmen, den Auftrag vorbereiten und und dann an den „Service Advisor“ weiterleiten.
Der Kundendienst-Meister macht eine echte Dialogannahme incl. Trip zum Auto, Daten und Details in den PC eingeben, Auftrag ausdrucken. … So dauert es ein Weilchen bis wir unser Auto los werden und können uns in Ruhe umschauen. Der Workflow ist nicht anders als in jeder großen Werkstatt in Deutschland – nur bei der Abholung geht es anders zu (aber dazu später mehr)
Für wartende Kunden gibt es eine klimatisierte „Lounge“ mit Fernseher, Wasser und bequemen Sesseln. Dort macht ein Sergeant der Army das, was jeder gute Soldat (weltweit) macht, wenn er warten muss: Er schläft. Natürlich fährt auch das Militär die 70 Serie Landcruiser. Aber wir wollen ja sowieso die Stadt erkunden und nicht chillen…
Mit Uber zur Kultur
Nachdem unser Toyo versorgt ist, nutzen wir mal wieder Uber (gibt es auch in Kumasi) und lassen uns zum Kulturzentrum fahren.
Das Kulturzentrum liegt mitten in der quirligen Stadt, ist aber ein Oase der Ruhe. Es erstreckt sich über eine ziemlich große Fläche von eingen ha.
Die Gebäude sind verstreut, dazwischen gibt es Grünflächen und große Bäume. Im Schatten der Bäume finden diverse Versammlungen statt, deren Inhalt wir mangels Sprachkenntnissen nicht wirklich folgen konnten- zumindest klingt es nicht nach Englisch, sondern nach einer lokalen Sprache. In der einen Ecke sitzt eine reine Frauengruppe, mit einer „Vorsitzenden“, Präsidium und lebhafter Diskussion, eine andere Ecke sieht mehr nach einer Vertriebsschulung aus, die dritte Gruppe mehr nach einem Uni-Seminar auf „Field-Trip“.
Ashanti und die überraschend komplexen Kulturvölker in Afrika
Leider fehlt in unseren Geschichtsbüchern ein Kapitel über die Afrikanischen Kulturen. Für einen durchschnittlich gebildeten Europäer sind die Afrikaner historisch Nomanden, Jäger, Sammler mit einem Häuptling an der Spitze. End-of-Story und völlig unterkomplex – und völlig falsch.
Kumasi ist das historische Zentrum des Ashanti Volkes, deshalb gibt es im Kulurzentrum auch den Nachbau eines Palastes eines Ashanti-Königs samt Ausstellung diverser historischer Gegenstände.
Das gesamte Anwesen würde in den Ballsaal von Versailles passen – aber für ein Teil-Nomadisches Volk ein großer Luxus. Wir sind (mal wieder) die einzigen Touristen und bekommen so für umgerechnet knapp 10 Euro (zu zweit) eine Privatführung von einer jungen Ashanti, die sehr klares Englisch spricht und auch über viele Facetten ihrer Kultur und Geschichte Auskunft geben kann – leider ist fotografieren nicht erlaubt.
Niemals den Boden berühren!
Merke: Ein Ashanti-König berührt mit den Fußsohlen niemals den Boden. Damit das auch in der Regenzeit funktioniert, gibt es Plateau-Flip-Flops, der König wird, wie ein guter Offorader, „höher gelegt“. Selbst im Badezimmer gibt es einen Schemel für die Füße, damit der König sich waschen kann, ohne seine Würde zu gefährden.
König als Patriarch?
Auch wenn der König immer ein Mann ist, ist die Ashanti-Kultur alles andere als ein Patriarchat.
Eine zentrale Rolle kommt der Positon der „Queen Mum“ zu – eine weibliche Verwandte des Königs, die nicht unbedingt seine leibliche Mutter sein muss, es kann sich auch um eine Tante, Schwester, Cousine handeln. Die Rolle und Funktion ist auch immer vorhanden, nicht wie die „Sonderform“ die es in England einige Jahrzehnte gab.
Stirbt eine Queen Mum, so folgt ihr eine andere nach. Die Thronfolge wird zudem in der weiblichen Linie vererbt, der König wird dagegen von den Unter-Chiefs gewählt und ist bei „Unfähigkeit“ (lies Erfolglosigkeit) auch absetzbar.
Die Inthronisierung eines (Unter) Chiefs ist auch heute noch ein wichtiger Akt. In der Zeitung konnten wir von der Inthronisation eines Chiefs durch Einkleidung („Enskinning“) lesen.
Der König führ als Symbol seiner Macht einen „Golden Stool“ mit sich, um den sich auch viele Legenden ranken – selbst die Kolonialisten haben alles versucht den „Hocker“ zu ergattern, die Ashanti haben aber alle Kriegslisten angewendet um das Orginal zu behalten.
Die historischen Könige waren regelmäßig in regionale Kriege verwickelt. Die Person des Königs hatte dabei immer besondere Bedeutung, wurde er getötet oder gefangen genommen, dann hatte sein Volk sich der anderen Seite zu unterwerfen – und im besten Fall Tribut (in Form von Gold) zu zahlen, im schlechtesten als unfreie Sklaven zu enden.
Irgendwann werden wir uns mal intensiv mit der Geschichte der Afrikanischen Völker beschäftigen – die ist mindestens so spannend und komplex wir die Kriege der europäischen Kleinstaaten bis 1870.
Kochen – ein Männerjob oder „Frauen ist nicht zu trauen“
Trotz der starken Rolle der Queen Mum, die als „Sozialministerin“ viele Alltagsfragen zu entscheiden hatte, war es dem König erlaubt mehr als eine Ehefrau zu haben.
Rechtlich ist der König verpflichtet alle seine Frauen gleich zu behandeln, materiell und sexuell. Dennoch gehen die Hofregeln davon aus, das der König auch nur ein Mann ist, der seine Gunst nach anderen Kriterien verteilen könnte. Er könnte durch die intelligenten Frauen, die gerade nicht „dran“ sind, manipuliert werde. Durch Kräuter im Essen zum Beispiel, die seine Lust mäßigen, wenn eine andere Ehefrau das Recht auf die Nacht hat.
Damit solchen Hofintrigen ein Riegel vorschoben wird, ist es den Königsfrauen (ausdrücklich nicht Königinnen) verboten, das Essen für den Chief zuzubereiten. Das ist Aufgabe einer rein männlichen „Küchenbrigade“ mit Chefkoch, der auch gleichzeitig Vorkoster ist. Wir fanden dies eine weise Regelung.
Manufakturen und tradtionelles Handwerk
Nach dem spannenden Blick in die praktische Geschichte schlendern wir weiter durch das Kulturzentrum und schauen uns unter anderem die traditionellen Webstoffe und deren Herstellung an. In kleinen Manufakturen werden Menschen in der traditionellen Handwerkskunst ausgebildet. Die Produkte werden dann an Ort und Stelle zu fairen Preisen an Touristen und Einheimische verkauft.
Leider war fotografieren auch in der Werkstatt nicht erwünscht, die Mitarbeiten wollen sich nicht so begafft fühlen.
Wir finden auch gleich ein Geburtstagsgeschenk für Biancas Mutter und freuen uns einen winzigen Teil zum Erhalt des alten Handwerks beigetragen zu habem
Flughunde und Stadtluft
Anschließend stürzen wir uns ins das Getümmel der Stadt. Auf dem Weg Richtung Markt meint Jens plötzlich „Gib mal den Hut, hier sind ja irre viele Vögel, die sch… alles voll.“
Also Hut aufgesetzt und die „Vögel“ angeschaut. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sich die Vögel als Riesen-Kolonie von großen Flughunden, einer Fledermausart. Das haben wir aber erst auf den Fotos so richtig realisiert.
In Kumasi haben wir wieder mal festgestellt, wie anstrengend ein „Stadtbummel“ in einer Großstadt in Ghana ist. Nun sind wir ja von Natur aus nicht die geborenen Städter.
Aber insbesondere die Luft (besser „Nicht-Luft“) in Kombination mit der Hitze machte und doch mehr zu schaffen, als wir gedacht hätten. So manches Mal haben wir uns gefragt, ob ein Euro-6-Dieselfahrverbot in deutschen Städten wirklich unseren Planeten rettet oder ob es nicht sinnvoller wären, in Afrika von Euro-Häää? Auf Euro-1-4 upzugraden…
Ziemlich dehydriert gönnen wir uns zwei Sprite und ein Uber zur Kumasi City Mall.
Ist das hier Afrika?
Als uns der Uber-Fahrer an der Kumasi Mall absetzt sind wir wie „teleportiert“ in eine anderen Welt: Ein riesiger Parkplatz, der auch in Texas sein könnte – nur hier fast leer.
Wir lernen wir das andere Kumasi kennen: Das Kumasi derer, die Geld haben. Die Mall könnte auch in den USA stehen. Die Shops sind klimatisierte Shops. Es gibt vom Fernseher über Kleidung bis Sportgeräte alles zu kaufen. Sogar ein Supermarkt ist ein einer Ecke integriert.
Fasziniert streifen wir durch den Supermarkt – das Sortiment ist fast das gleiche wie in Frankreich oder Spanien. Die Preise auch – ups.
Wir kaufen einen lokalen Gin (zu sehr zivilen Preisen), eine Rolle Klopapier (das ist in allen Hotels irgendwie knapp – bei Preisen von fast 1 Euro pro Rolle aber auch klar) und mehr Spray zur Mückenabwehr.
Nach dem „Power-Shopping“ streifen wir weiter durch die Mall und finden einen Pizza-Bäcker (!!!). Nach x-mal „fish and rice“ (oder rice and fish) kommt die Pizza wie gerufen. Nach uns kommt eine ganze weiße Famile rein, die von der Kleidung eine etwas modernisierte Version der Amish People sein könnte – sie sehen aus wie die moderne Amish Fraktion in Belize. Aber irgendwie kommen wir nicht ins Gespräch– auf ein „Hello“ kommt leider nicht viel-
Anschließend entdecken wir in einem Geschäft, das eigentlich Stoffe verkauft, schöne Hemden für Jens und Blusen und Kleider für Bianca.
Auf die Frage, ob der Laden aus den Stoffen Kleider nach Maß näht, kommt die Info: Nein, die Einzelstücke seien nur Beispiele, die man gerne kaufen könne. Die Kunden würden in der Regel die Stoffe kaufen und zu ihrem Schneider bringen -einen echten Markt für Fertigware im afrikanischen Stil gibt es nicht. Das erklärt auch die kleinen Schneidereien (also 1-2 Nähmaschinen auf der Terasse vor einem kleinen Shop) die wir in vielen Dörfern gesehen haben. Für den eigenen Schneider reicht unsere Zeit in Kumasi nicht, wir wollen ja weiter. Und mangels eigenem Schneider in Deutschland bleibt es bei den bereits gefertigten Kleidungsstücken, auch wenn es uns die ein oder andere Stoffbahn wirklich angetan hat.
Inzwischen ist es 15 Uhr und wir nehmen wieder ein Uber zurück zu Toyota.
Werkstattbericht Teil II
Pünklich ist unser Auto fertig. Die Idee Schlüssel abholen und losfahren ist gut, funktioniert aber nicht.
Wir müssen auf den „Service Advisor“ (aka Kundendienstmeister) warten, der uns zunächst die Rechnung erklärt. Eigentlich nicht unsere Baustelle, aber doch interessant zu sehen was das hier kostet. Mit ~ 260 Euro ist Avis dabei.
Auf der Rechnung wir jetzt per Stempel bestätig, dass das Auto herausgegeben werden darf. Mit der gestempelten Rechnung geht Jens zum Security Chief, der in seinem Wachbuch genau einträgt, welche Rechnungsnummer zu unserem Auto-Kennzeichen gehört. Dann sucht er den Schlüssel heraus und vermerkt das auf der Rechnung per Unterschrift. Jens muss den richtigen Empfang des Schlüssels im Wachbuch quittieren und wird dann von einem weiteren Mitarbeiter zum geparkten Auto begleitet.
Gut das der Mann mitgegangen ist – fast hätte Jens den blitzsauberen LandCruiser Prado nicht erkannt. Auch von Innen ist er perfekt gereinigt – aber das ist in Afrika ein vorübergehender Zustand.
Die Rechnung senden wir per WhatsApp direkt an Avis, fertig.
Wir schlängeln uns durch den Verkehr zurück zum Hotel. Ab in den Pool (wieder mit Studenten und lauter Musik). Abends gibt es das zweite kulinarische Highlight: Spagetti Bolognese! Eigentlich nicht so Jens Favorit – aber eine willkommene Abwechslung zu…. (ihr wisst schon was )