„Saudi-Arabien? Da fährst Du freiwillig hin?“
„Was? Du trägst da Abaya und Kopftuch?“
„Solange die Frauen so unterdrücken, fahr ich da nicht hin!“
Diese und ähnliche Aussagen waren oft die Reaktion von Frauen, denen ich vom Ziel unserer Winterreise erzählt habe. Anlass genug, nicht nur einen Reisebericht zu schreiben, sondern auch meine persönlichen Eindrücke zu diesem, offenbar polarisierendem, Thema festzuhalten.
Wo fange ich an?
Vielleicht zuerst mit meinen persönlichen Eindrücken vom Leben der Frauen in Saudi. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, ohne journalistische Recherche, stattdessen meine Beobachtungen aus 12 Tagen im Land.
Ja, das Leben der Frauen in Saudi ist anders als in Europa. Auffälligstes optisches Zeugnis ist die Kleidung der Frauen. Eine verhüllende Abaya wird von fast allen Frauen getragen.
Im ländlichen Bereich auch zu 100% und dies in Kombination mit Kopftuch und Gesichtsschleier. Eindrucksvolles Zeichen dafür, dass Frau ihren Körper in der Öffentlichkeit nicht zeigen darf bzw. soll.
In den großen Städten zeigt der Wandel der Kleidung den Wandel der Frauen in Saudi. Frauen ohne Gesichtsschleier, farbige Abayas, Frauen ohne Kopftuch und – in einigen „hippen“ Gegenden Jeddahs – Frauen mit offener, wehender Abaya und wehenden Haaren. Aber Minirock und Tanktop? Undenkbar.
Und die Männer?
Viele Männer sind traditionell gekleidet.
Langes, meist weißes Gewand und weiß-rotes Kopftuch. Auch wenn die Kleiderregeln nicht so streng zu sein scheinen wie für Frauen: Shorts und T-Shirt sind ein No-Go (mit Ausnahme eines US-Marines, der uns im Diplomatenvierten entgegengejoggt kam). Lange Hose und Hemd bzw. Poloshirt sind angesagt. Schilder weisen immer wieder darauf hin, dass Männer und Frauen sich in der Öffentlichkeit „moderat“ zu kleiden haben.
Einiges ist (wenn auch zum Teil seit Kurzem) für unser europäisches Empfinden „normal“: Frauen fahren Auto, sie gehen allein einkaufen, besuchen Restaurants, sie arbeiten in Geschäften oder an der Hotelrezeption – oder auch als Anwältin für eine amerikanische Law Firm. Positiv überrascht hat uns, dass in einem lokalen Radiosender eine Frau moderier hat. Und dies nicht „nur“ als Ansagerin des nächsten Musiktitels, sondern durchaus mit Anspruch. Konkret ging es in ihrer Sendung um das wohl zunehmende Problem, dass junge Leute dazu neigen mehr auszugeben als sie einnehmen.
Anderes wirkt fremd: getrennte Eingänge in Restaurants und Bibliotheken, getrennte Universitäten, getrennte Fitness-Center (aber immerhin: es gibt Fitness-Center für Frauen), getrennte Feste.
Der Frau wird in aller Regel zur Begrüßung und Verabschiedung nicht die Hand gegeben. Berührungen zwischen Mann und Frau oder gar einen Kuss gibt es in der Öffentlichkeit nicht; Gespräche werden – wenn ein Mann und eine Frau anwesend sind – in der Regel mit dem Mann geführt. Aber auch hier verändert sich die Welt. Das beste Beispiel war ein Abend mit einem jungen, gut ausgebildeten Pärchen in einem Sushi-Restaurant in Riyadh. (Artikel folgt)
Wie habe ich mich als Frau dabei gefühlt?
Es mag die ein oder andere überraschen: Mich hat weder die Abaya und das Kopftuch gestört. Was vermutlich an meiner Grundeinstellung beim Reisen liegt: Ich versuche mich in jedem Land so weit möglich den lokalen Gepflogenheiten anzupassen. Auch in Marokko würde ich nicht im kurzen Rock herumlaufen. In ärmeren Gegenden in Afrika würde ich keine Luxus-Handtasche zur Schau stellen – in Riyadh und Jeddah hingegen bleibt meine praktische, aber etwas mitgenommene Reise-Handtasche im Hotel (auch wenn meine andere Handtasche bei dem Wettbewerb „Wer hat die Teuerste“ gnadenlos geloost hat – aber ich wollte ja nicht das ganze Urlaubsbudget und vermutlich noch mehr in EINE Handtasche stecken )
Und die übrigen „Besonderheiten“?
Der Umstand, dass im Pizza Hut nur Jens eine Speisekarte bekommen hat und ich nicht, hat mich eher amüsiert. Vermutlich sind das die Dinge, über die Frau sich aufregt, wenn man länger im Land ist oder dort lebt. Wenn eine Frau allein ins Pizza Hut kam, bekam sie übrigens ganz normal eine Speisekarte vom Kellner gebracht. Auch die getrennten Teile in Restaurants für Männer und Familien haben mich nicht gestört, sondern ich habe es eher interessiert zur Kenntnis genommen. Übrigens gab es die Trennung meist bei Fast-Food-Ketten. In den „netteren“ Restaurants haben wir keinen separaten „Männer-Teil“ entdeckt.
Und in der Kommunikation mit saudischen Männern?
Ja, der saudische Mann sprach in aller Regel Jens an und nicht mich. Aber wenn das Gespräch seinen Verlauf nahm und wir uns zu dritt unterhielten, war dies ganz normal und der Mann unterhielt sich mit uns beiden. Solche Begegnungen hatten wir jedoch in Riyadh und Jeddah. Wie dies im ländlichen Raum ist, vermögen wir nicht zu beurteilen. Hier scheiterte die Kommunikation auch mit Jens oft an fehlenden Arabisch-Kenntnissen.
Den Umstand, dass der Mann der Frau nicht die Hand reicht, empfand ich nicht als diskriminierend. Denn: Ich wurde nicht ignoriert, sondern mit einer Verbeugung und Hand auf dem Herz verabschiedet. Für mich wirkte dies zwar fremd, aber wertschätzend. Ob jeder Frau das so sieht? Keine Ahnung, aber dies war mein ganz persönliches Empfinden.
Wie habe ich mich gefühlt?
Ich habe mich als Frau in Saudi-Arabien weder unwohl noch diskriminiert oder nicht wahrgenommen gefühlt. Ja, dies liegt vielleicht auch daran, dass wir als Reisende mit begrenzter Zeit nur einen kleinen Bruchteil des Lebens erkunden konnten.
Wie die Rollenverteilungen und die Machtverhältnisse in der Familie sind? Ich weiß es nicht. Hierzu müsste man deutlich mehr Zeit im Land verbringen und idealerweise dort eine Zeitlang leben und arbeiten.
Leben in Saudi-Arabien?
Könnte ich mir vorstellen, als Frau eine Zeitlang in Saudi Arabien zu leben? Schwierige Frage.
Dies liegt weniger am Geschlecht. Ich habe gesehen, dass man als Frau in KSA attraktive Jobs bekommt (auch wenn die US Law Firm vermutlich wenig Bedarf an einer deutschen Versicherungs-Frau hat ), als Frau autofahren, essen gehen und Fitness machen kann.
Was mich persönlich jedoch – und das völlig geschlechtsunabhängig – stören würde, ist der Fokus auf das Private.
Das Leben findet weit überwiegend im Privaten und in den Familienstrukturen statt. Das Feiern, das gemeinsame Campen in der Wüste: Man ist zusammen mit dem großen Familienclan und nicht etwa mit – familienfremden – Freunden. Ich kann mir vorstellen, dass dies als Expat ohne Familienclan vor Ort eine große Herausforderung sein kann.